„Jarhead” – Eine Kriegsfilmverweigerung.

Aus Sicht von Filmproduzenten muss „Krieg” ein dankbares Sujet darstellen. Starke Emotionen sind garantiert: Es geht es um Leben und Tod und darf dabei krachen und rumsen, dass es der Special-Effects-Abteilung eine helle Freude ist. Wenn die Welt im Film nur immer so schön einfach sein dürfte: Bereits die Uniformen unterscheiden Gut und Böse und ein möglichst einleuchtender Auftrag für den Helden sorgt für eine stringente Story und einfache Vermarktung. Muss eine Weltregion von roten, gelben oder andersfarbigen Armeen befreit werden, kann man einen „action-geladenen” Kriegsfilm bewerben, schickt der Regisseur seinen Helden zu Erkenntnis der Unmenschlichkeit militärischer Konflikte auf’s Schlachtfeld, so kann den Film als „Antikriegsfilm” verkaufen.

Aus Sicht von Filmproduzenten muss „Jarhead” von Sam Mendes („American Beauty”) ein extrem undankbarer Film sein: Statt den Zuschauers mit starken Emotionen zu bedienen, wird eher sein Reflexionsvermögen gefordert. “Eindeutig” ist in und an diesem Film nur wenig. Weder „Krieg” noch „Anti-” handelt es es sich bei Jarhead um den ersten bekannten Fall von Kriegsfilmverweigerung.

Gleichzeitig in in der Tradition von Coppolas „Apocalypse Now” und Kubricks „Full Metal Jacket” stehend wie sich von diesen unterscheidend, gelingt in Jarhead, was laut Vietnam-Kriegs-Reportage-Veteran Michael Herr unmöglich sein soll: “Dem Krieg den Glamour zu nehmen”. So “Anti-” ein Kriegsfilm auch intendiert sein mag: wenn der Zuschauer beginnt, sich mit dem Protagonisten emotional zu identifizieren, wird aus dem pazifistischen Werk Werbung für den Krieg als großes Abenteuer.

Was sich kein Rezensent hat entgehen lassen: Mendes reflektiert das potentielle Umschlagens des Antikriegsfilms in sein Gegenteil. Vor dem Abflug an den Golf bringen sich die Soldaten bei einer Vorführung von Apocalypse Now (die „Walkürenritt”-Szene) in Stimmung.

Im Unterschied zu Apocalypse Now wird deutlich, warum Jarhead aus Filmproduzentensicht ein undankbarer Film sein muss: Wo Coppola buchstäblich „Große Oper” bietet, setzt Mendes auf die Mittel der Theatermoderne.

Das ist zuallererst dem Thema geschuldet: Der erste Golfkrieg war als „ferngesteuerter” Krieg für die amerikanischen Soldaten (und durch die rigide Kontrolle der Medien auch für die weltweite TV-Öffentlichkeit) ungleich abstrakter als vorangegangene Konflikte.

Wobei Modernität der Mittel mehr bedeutet, als die Leere der Wüste zur Bühne umzudeuten. Zumal die Bildgestaltung des Film streng realistisch im Sinne von sachlich bleibt (Falls der Eindruck erweckt ist, es handele sich bei Jarhead um eine Art „Dogville goes Golfkrieg”). Das ästhetisch Moderne von Jarhead zeigt sich vielmehr im Verzicht auf jegliches Psychologisieren. Der Film ist nicht vollständig ohne Handlung jedoch ohne „Story”.

Der Film beschreibt die Veränderung seines Protagonisten, ohne dass der Versuch gemacht wird, diese Veränderung auf die küchenpsychologische Ebene der Alltagserfahrung herunterzubrechen: Ich-Erzähler Swofford (Jake Gyllenhaal) verschließt explizit die Tür zur Vorgeschichte mit schwierigem Elternhaus und Vaterkonflikt, ohne den „Hollywood“ sonst keine dramatische Handlung erklären kann.

Der (jetzt ist es raus:) vom Theater kommende Regisseur will nicht erklären sondern zeigen. Von der Erklärung als Bevormundung des Zuschauers hat das moderne Drama schon lange Abschied genommen, im Kino – dem Mainstream-Kino vor allem – ist die Beschränkung auf Deskription hingegen nur selten anzutreffen.

Der „Preis” dieser Beschränkung ist die Enttäuschung der Zuschauererwartung an Eindeutigkeit. Es gibt keine moralische Position des Films, in der das Publikum seine eigene bestätigt oder abgelehnt finden kann, obwohl dies zumeist vom implizit politischen Genre des Anti-/Kriegsfilm erwartet wird.

Darin zeigt sich der Film ebenso der ästhetischen Moderne verpflichtet, wie im Verzicht auf das Angebot der Identifikationsmöglichkeit, der letzten Endes für den Zuschauer einen Verzicht auf die starke Emotion bedeutet. Wir mögen Mendes Protagonisten mögen, aber wir leiden nicht mit, wenn er militärtypische Erniedrigungen und Männlichkeitsrituale durchlebt – auch nicht, wenn er mit dem Grauen des Krieges konfrontiert wird.

Die strenge Beschränkung auf Beobachtung entzieht den Film dem „Anti-/Kriegsfilm”-Dilemma und nimmt den „Glamour” aus seinem Gegenstand. Die aus der Deskription entstehende Ambivalenz wird zum leitenden Prinzip des Films aus dem er auch seine Spannung entfaltet.

Mendes mag zwar mit Jarhead die Erwartungshaltung der Zuschauer durch die Wahl seiner Mittel enttäuschen, da er diese aber souverän beherrscht, enttäuscht er die von „American Beauty” geweckten Erwartungen an sein drittes Werk* nicht. Fazit also: Kriegsfilmverweigerung anerkannt!

*(Über Mendes zweiten Film „Road to Perdition”kann mir kein Urteil erlauben kann.)


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