Die Geburt des Events aus dem Geist der Philosophie

Festival der Philosophie“? – Philosophie als „Event“, das scheint ein Widerspruch in sich und Skepsis mehr als angebracht. Es muss dieser Wissenschaft nicht schaden, die akademische Feedback-Schleife, aus der im Allgemeinen höchstens mal eine Sloterdijkscher „Blase“ aufsteigt, zu verlassen. Allzu schnell läuft sie dabei allerdings Gefahr, als Prilblume auf den Fugen einer unrettbar beschädigten Moderne zu fungieren.

Das – soviel Arroganz sei mir als M.A. mit Philosophie als 2. Hauptfach gestattet – laienhaften Vorstellungen von den Gegenständen des Faches sehr entgegenkommende Thema: „Die Seele: Wirklichkeit oder Metapher“ nährt die Skepsis. Es erweist sich aber zumindest als publikumswirksam. Der nicht eben kleine Lichthof des hannoverschen Rathauses ist zur Auftaktveranstaltung bis in die oberen Etagen gefüllt.

Meine Befürchtungen bestätigend handelt es sich bei gefühlten 80% des Publikums um den (altersunabhängigen!) Typ „Seniorenstudentin“, der geisteswissenschaftliche Studiengänge mehr in der Hoffnung auf wohlgefällige Lebensweisheiten anekdotischen Charakters denn aus Interesse an der argumentativen Auseinandersetzung mit den behandelten Werken besucht. Nichtsdestotrotz dürfte auch ein Großteil dieser Zuhörer von der folkloristischen Eröffnung des Festivals durch einen Leibniz-Darsteller eher peinlich berührt worden sein.

Nach angenehm kurzer Einleitung durch Bürgermeister Bernd Strauch (der Oberbürgermeister war wahrscheinlich mit dringlicheren Regierungsgeschäften beschäftigt …), bewies die einführende Explikation des Festivalthemas durch Günther Mensching, dass philosophische Fragestellungen durchaus allgemeinverständlich (soweit ich das als s.o. beurteilen kann …) dargestellt werden können, ohne Stringenz und Rationalität der Argumentation zu opfern.

Hauptredner des Abends war allerdings der ehemalige Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin, der unter Beweis stellte, warum er so gern als Posterboy einer Philosophie, die ihre gesellschaftliche Relevanz gerade durch das Absehen von den gesellschaftlichen Bedingungen unter denen sie stattfindet, zu erweisen sucht, engagiert wird.

In seinem („das war mit den Organisatoren abgesprochen“) das Thema des Festivals verfehlenden Beitrag zum Thema: „Philosophie und Lebenswelt“ präsentierte er einen (vorsichtig ausgedrückt) mässig kohärenten Abriss der Philosophiegeschichte, der vor allem aus Ausrissen der Nida-Rümelinschen Gelehrsamkeit und Wichtigkeit bestand.

Dass der Vortragende dabei so ziemlich jedes momentan im Feuilleton angesagte „In-Thema“ seines Faches streifte und mit klassische Bildung ausstellenden Graezismen (um mal selbst ein wenig Bildung zur Schau zu stellen) ebensowenig geizte, wie er sich mit überflüssigen Anglizismen („turning point“ statt Wendepunkt) an das mittlerweile auch in Politik und Wissenschaft übliche Marketing-Bla-Bla anbiederte, dürfte dabei seinem Anliegen – die Bedeutung von Philosophie“ als Orientierung gebende Wissenschaft aufzuzeigen – eher nicht gedient haben. (Dass wenn Nida-Rümelin schon mal einen Argumentationsstrang präsentierte, dieser keineswegs immer so unwiderlegbar war, wie vom Vortragenden behauptet, sei nur am Rande notiert.)

So präsentierte sich im Hauptvortrag des Abends eine Philosophie, die der Intention des Festivals entsprechend zwar den Elfenbeinturm verlassen hat, dabei aber nicht auf dem sprichwörtlichen Marktplatz als Metapher für die ebenso metaphorische Mitte der Gesellschaft angekommen ist, sondern direkt in die Welt der politikberatenden Kommissionen und Ethikräte durchmarschiert ist.

Womit als Fazit bleibt, dass ob ein derartiges Festival funktioniert, in erster Linie vom konkreten Vortrag abhängt und zu Bedenken gegeben sei, dass mehr als ein Interesse für eine vertiefende Auseinandersetzung mit philosophischen Gedankengut dabei wohl ohnehin nicht erzielt werden kann.

Wenn Philosophie im aufklärerischen Sinne zur Befreiung aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit beitragen soll, muss diese Auseinandersetzung am Text oder in konzentrierter Diskussion stattfinden, was ein seiner Natur konsumorientiertes „Event“ eben nur begrenzt leisten kann.

(Das Festival läuft noch bis zum 1. Juni)